Unter großformatigen Fliesen sind nicht „Fliesen“ mit Kantenlägen über 1,50m zu verstehen, das wäre ein weiteres Thema, sondern Fliesen mit Kantenlängen ab 60 cm.
Grob mit einer Fläche ab 0,25m², also der heute „Standard“ im Wohnbau.
Hinsichtlich der Verlegung waren diese noch nie Standard.

Die Beliebtheit bei den Bauherren und neue Fertigungsmethoden führte zu immer größeren Formaten. Die Verlegung nach DIN 18157 regelt/e diese nur unzureichend.
Als erste „offizielle“ Reaktion erfolgte 2010 die Veröffentlichung des Merkblattes  „Großformatige keramische Fliesen und Platten“(Fachverband Fliesen und Naturstein).

Ich gehe nicht auf alle Aspekte wie Beanspruchungsklassen, Mörtelklassen, – arten oder Nivelliersysteme ein, sondern von dem „Standardfall“:
Wohnnutzung, Zementestrich, Fliesenformat 60×60 im Dünnbettmörtel – Bodenbelag
Hier zeigen sich in der täglichen Praxis immer wieder die gleichen Themen.

Im Ergebnis kommt es oft dazu, dass der Bauherr einen Gewährleistungsmangel anzeigt.

Bemängelt wird dann der Abriss der Randfuge (dies wird in der Regel mit dem Hinweis „Wartungsfuge“ abgetan) oder eine Hohllage von Fliesen (dies wird in der Regel mit dem Hinweis abgetan, dass Hohllagen nicht zu vermeiden sind).
Beides ist nicht falsch, aber auch nicht uneingeschränkt richtig.
In der Praxis im Alltag ist sicherlich ein unangemessener Zeitdruck mitverantwortlich, der oft von dem ausführenden Fliesenleger „kompensiert“ wird und diesem später wieder auf „auf die Füße fällt“.

Maßtoleranzen

Die Maßtoleranzen am Bau sind allgemein in der DIN 18202 definiert. Für die Verlegung von Großformaten sind diese meist nicht ausreichend.
Die DIN 18202 definiert sehr genau, welche Ebenheitsabweichungen für flächenfertige Oberflächen eingehaltenen werden sollen und wie diese zu messen sind.
Die DIN 18157 (Fliesenlegernorm) gibt an, dass eben diese für die Verlegung von Großformaten nicht ausreichend sind und ein zusätzlicher Arbeitsgang (spachteln, schleifen) notwendig werden kann.

Eben dieser Arbeitsgang ist eine zusätzliche Leistung, die zusätzlich entlohnt werden muss.

Hieraus ergeben sich zwei Klassiker:

a) Die Fliesenarbeiten werden in „Eigenleistung“ bzw. von einer Fremdfirma im Auftrag der Bauherren durchgeführt. Die Fremdfirma bemängeln die Ebenheit des Estrichs und meldet Mehrkosten für eine zusätzlichen Arbeitsgang an. (Die Ebenheit des Estrichs ist nicht zu beanstanden, die Kosten wollte die Firma nur nicht bei Angebotsabgabe nennen.)

b) Der zusätzliche Arbeitsgang wird von dem Generalunternehmer dem Subunternehmer nicht entlohnt. Der Subunternehmer gleicht mit Mörtel (Fliesenkleber) aus. Ein nicht gleichmäßiges Dünnbett ist nicht vorhanden (evtl. maximale Höhe überschritten). Aufgrund von unterschiedlichen Spannungen kommt es zu einem Bauschaden, die auf den Subunternehmer zurückfallen.

Auch wenn ein Estrich korrekt hergestellt wurde, ist ein zusätzlicher Arbeitsgang zur Herstellung der notwendigen Ebenheit in der Regel erforderlich.

 Estrichfeuchte / Schwinden / Spannungen

Ohne auf die Details wie Funktions- und Belegheizen einzugehen, ist die Sache eigentlich klar. Verlegung nur bei einer Estrichfeuchte <= 2CM%, Verlegung bei einem Raumklima von 16-23°C und einer rel. Luftfechte <65% [2]. Eine Situation die eher die Ausnahme als die Regel ist.

Sicherlich allgemein bekannt ist, dass Estrich nach der Verlegung schwindet und das Fliesen dies nicht tun. Beide Materialen gehen über den Dünnbettmörtel einen schubfesten Verbund ein.
Bei eingehaltener Belegreife hat ein Zementestrich ca. 75% des Endschwindmaßes erreicht. Ist die Belegreife noch nicht erreicht ist Schwindmaß entsprechend größer.
Kann der Estrich nicht „nach oben“ austrocknen, trocknet er unten schneller als oben, hierdurch kommt es zu einem „B-Material-Effekt“(siehe Grafik). Die Pressung der Dämmung nimmt an den Rändern – durch eine Vorwölbung der Estrichplatte – zu. Diese äußert sich durch verstärkten Abriss der Randfugen und einem Lösen des Belags, eventuell bis zu einem Bruch der Estrichplatte.

Verwölbung von Estrich

Sicherlich gibt es auch eine gewisse zu erwartende Pressung der Dämmung (entsprechend auf dem Material angegeben). Sowie ein Schwinden des Estrichs in y-Richtung. Je nach Dämmung ergibt sich hier eine zu erwartende Setzung von 2-4mm.

Die Restfeuchte des Estrichs sollte möglichst dem späteren Ausgleichsfeuchte der Nutzung entsprechen. Die normative Vorgabe ist 2CM%. [2]

Die Messung erfolgt per CM-Messung (Calciumcarbid-Verfahren)

  • Vormessungen (!) sind kapazitiv oder mittels Folie möglich
  • idR. 50g Materialentnahme auf dem ganzen (!) Querschnitt

„Der Estrich liegt seit 28 Tagen, der ist trocken.“

  • Wenn in den 28 Tagen ca. 80% rel. Luftfeuchte herrschte, hat der Estrich fast 4CM%
  • Eine bestimmte Anzahl von Tagen ist kein Nachweis für eine Belegreife.

„Wir stellen Entfeuchter auf, dann geht das in einer Woche!“

  • Eine geeignetes Raumklima, ist eine gute Idee.
  • Trocknet der Estrich an der Oberfläche zu schnell, wird die Kapillarität aus dem Untergrund unterbrochen (man denke an den „Watte-Effekt“), der Estrich bleibt im Untergrund feucht.

„Das Heizprogramm ist durchgelaufen, das reicht.“

  • Funktionsheizen oder Belegreifeheizen? Das Funktionsheizen nach DIN EN- 1264-4 dient als Nachweis eines mangelfreien Werks für den Heizungbauer.
  • Eine CM-Messung ersetzt beides nicht.

Bei großformatigen Fliesen kommt hinzu, dass die Diffusion aus dem Untergrund über die Fugen stattfindet, diese sind bei großformatigen Fliesen entsprechend kleiner.

Diffusion durch Fliesenfugen

Die Restfeuchte des Estrichs ist entsprechend wichtiger als bei einem Belag mit hohem Fugenanteil.

Die Fugen dienen nicht nur als Diffusionsmöglichkeit, Ihre wesentliche Aufgabe ist der Abbau von Schubspannungen. In der normalen Nutzung treten Normalkräfte alleine schon aus Temperaturänderungen auf (Ausdehnungskoeffizient Zementestrich ca. 0,0011mm/Km; keramische Fliesen ca. 0,009 mm/Km). Die hieraus resultierende Schubspannung tritt an den Plattenenden auf, je größer der Fugenanteil, desto besser kann diese abgebaut werden.

Schubspannung im Fliesenbelag

Dem Wunsch der Bauherren nach immer schmaleren Fugen wird gerne nachgegeben. Normativ ist eine Mindestfugenbreite von 3 mm vorgegeben [2].

Art der Verlegung

Meistens anzutreffen sind sog. „Feinsteinzeugfliesen“, was letztlich nur eine Bezeichnung ist. Fliesen werden nach Gruppen gemäß DIN EN 14411 eingeteilt. Die Wasseraufnahmefähigkeit fast aller „Feinsteinzeugfliesen“ liegt deutlich <0,5% (entsprechend: AI / BIa), mit einem sehr geringen Porenvolumen / Porenradienmaximum.
Der Dünnbettmörtel muss einen schubfesten Verbund zwischen Fliese und Estrich herstellen, bei wenig saugenden Oberflächen ist daher eine Kontaktschicht auf der Fliesenrückseite erforderlich.
Die Verlegung wird als kombiniertes Verfahren oder „Buttering-Floating -Verfahren“ bezeichnet. Hierbei wird der Fliesenmörtel auf dem Estrich und auf dem Fliesenrücken aufgetragen.
Die Folgen eines unzureichenden Verbundes sind in den Fotos oben zu sehen.

Zusammenfassung

Das Merkblatt „Grossformate“ (September 2019) des Fachverband Fliesen und Naturstein fasst die wesentlichen Punkte 7 Seiten zusammen (nicht alle werden unten wiedergegeben).

  • CM-Messung obligatorisch – sonst keine Verlegung (Zementestrich <2CM%)
  • zusätzlicher Arbeitsschritt für Ebenheit erforderlich
  • Fugenbreite > 3 mm
  • zum Zeitpunkt der Verlegung 16-23°C – rel. Luftfeuchte <65%
  • Verlegung <15°C eher nicht, nur mit zusätzlichen Maßnahmen
  • beidseitiger Mörtelauftrag (Buttering-Floating)

Literatur

[1] DIN 18157, Teile 1-3; Deutsche Institut für Normung; Beuth Verlag, 2017/4

[2] Grossformate, Fachverband Fliesen und Naturstein; Rudolf Müller GmbH&CoKG, Köln, 2019/10

zum lesen empfohlen
[3] Schäden an Belägen und Bekleidungen aus Keramik, Schadenfreies Bauen, Band 25, Ralf Ruhnau (Hrsg.), Frauenhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2011